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Standpunkte
der gesunde
hausverstand
zeit ist geld
der konsumzwang
sei wer, dann brauchst du niemand
zu werden
der gesunde hausverstand
"und wauns wos net vastehngan und sie
komman duachanaund, daun kommans mit dem ärgstn
und des is da hausvastaund"
(Zit. Attwenger "kaklakariada", CD
"Sun")
Der sogenannte "gesunde
Hausverstand" kommt immer dann ins Spiel,
wenn Gegenargumente nicht erwünscht sind.
"Das sagt einem schon der gesunde Hausverstand"
ist eine beliebte Redewendung in allen möglichen
und unmöglichen Lebenslagen. Der gesunde
Hausverstand erklärt per definitionem alles
für nicht gesund, was nicht mit ihm übereinstimmt
und versucht so, kritisches Nachdenken und Abwägen
abzuwürgen. Das ist grenzenlose Anmaßung.
Ich wehre mich gegen den Hausverstand, der einem
angeblich so vieles sagen kann. Obwohl ich mir
ganz gerne was sagen lasse, schließlich
habe ich die Weisheit auch nicht mit dem Löffel
gefressen und kann immer wieder etwas von anderen
Menschen lernen.
Ganz abgesehen davon, dass oft besonders fragwürdige
Weisheiten vorgebracht werden, wenn der gesunde
Hausverstand bemüht wird. Das gilt ganz besonders,
wenn Politiker/innen diesen für sich in Anspruch
nehmen.
zeit
ist geld
Unsere heutige Zeit ist geprägt von Phrasen
wie "Zeit ist Geld", "Zeit ist
knapp", "Lassen Sie sich nicht ihre
Zeit stehlen" etc. Zeit wird quasi als ökonomische
Größe betrachtet, die es effizient
zu nutzen gilt. Wofür aber soll sie genutzt
werden?
Diese Phrasen sind alle mehr oder weniger auf
das alles dominierende Wirtschaftsleben bezogen.
Ich habe oft gehört, wie Mitmenschen davon
träumen, was sie später einmal machen
werden, wenn sie mehr Zeit haben werden als heute,
wo sie voll im Stress des Erwerbslebens stecken,
sich eine Karriere aufbauen wollen oder müssen
oder wollen müssen und/oder um sich dieses
oder jenes leisten zu können (Haus, Eigentumswohnung,
Auto, Urlaub etc., siehe auch der
konsumzwang)
Es erscheint mir eigenartig, dass in unserer Wohlstandsgesellschaft
dem Konsum von Gütern und Dienstleistungen
eine derartig große Zeitpräferenz eingeräumt
wird. "Ich will alles, und das sofort!"
lautete ein Werbeslogan vor einigen Jahren. Und
oft habe ich das Gefühl, dass viele Menschen
bei uns wirklich so denken.
Bei der Lebenszeit, jenem Gut, dass im Leben jedes
Menschen auf jeden Fall knapp ist, auch wenn wir
nicht wissen wie knapp, gibt es diese Präferenz
anscheinend nicht oder zumindest nicht so stark.
Sonst könnte man sich ja Zeit nehmen, wenn
man das Gefühl hat, mehr zu brauchen um all
die Dinge zu tun, die man immer schon tun wollte.
Mir ist klar, dass Menschen in ganz verschiedenen
Situationen stecken, die unterschiedliche Zwänge
hervorrufen. Ich bin mir dennoch sicher, dass
viele mehr Zeit für Familie, Freundschaften,
Hobbies, Seele baumeln lassen etc. hätten,
wenn sie sich nur bewusst dazu entschließen
würden, sich diese Zeit zu nehmen, anstatt
Zeit der Karriere und überflüssigem
Konsum zu opfern.
Ich nehme es niemandem übel, wenn er sich
für Karriere und/oder Konsum entscheidet.
Aber ich habe an denkende Wesen den Anspruch,
dass eine derartige Entscheidung bewusst gefällt
wird, im Bewusstsein, worauf man bereit ist zu
verzichten. Jeder Mensch, der mehr verdient, als
er für die grundliegenden Dinge des Lebens
braucht, hat diese Wahl und kann sich meiner Meinung
nach nicht darauf ausreden, dass er/sie keine
andere Möglichkeit hat.
Ich habe viel Zeit für die Dinge im Leben,
die mir wirklich wichtig sind. Und da Zeit ja
bekanntlich Geld ist, fühle ich mich sehr
reich.
" Leben Sie schneller,
dann sind Sie früher damit fertig"
Ich bin Mitglied im Verein
zur Verzögerung der Zeit
der
konsumzwang
In der Konsumgesellschaft definieren sich viele
Menschen über das, was sie haben, nicht über
das was sie sind. Schließlich muss "man"
ja was darstellen (als wären wir alle Schauspieler,
die ihre Rolle spielen). Dadurch geraten sie in
den Konflikt zwischen dem, was sie sich nicht
leisten können (weil sie zu wenig verdienen)
und dem, was sie sich nicht zu haben nicht
leisten können (weil sie ja sonst nichts
darstellen). Wir brauchen ein neues Auto, eine
größere Wohnung, eine teure Stereoanlage
und eine tolle Schiausrüstung. Kaufen wir
nun eine Ware, so ist es mit dem Kaufpreis allein
in der Regel nicht getan. In weiterer Folge fühlen
wir uns auf eine eigenartige Weise moralisch verpflichtet,
das erstandene Gut auch zu verwenden, denn wir
kaufen doch nichts, was wir nicht brauchen. Das
wäre schließlich eine durch nichts
zu rechtfertigende Verschwendung!
Aber häufig führt gerade die Benutzung
der Ware zu weiteren Kosten. Auch Dinge haben
nämlich Bedürfnisse, sie haben Erhaltungskosten
und Betriebskosten (Auto, Telefon, Stromverbrauch
und Zubehör diverser Elektronikgeräte,
Liftkarte plus Anreise etc.), die uns wiederum
zu mehr Arbeit zwingen, damit wir auch das noch
finanzieren können. Um nichts zu verschwenden,
verschwenden wir unsere Zeit.
Das wirklich erstaunliche an diesem Mechanismus
ist, dass - obwohl sich die Werbung, die uns all
die schönen Dinge einreden möchte, an
die Menschen richtet und Waren Objekte der Nachfrage
sind - in Wirklichkeit die Dinge zu den eigentlichen
Subjekten der Nachfrage werden. Wir Menschen übernehmen
die Bedürfnisse der Waren und ordnen uns
ihnen so unter.
Wer sich angesichts der vollen Kaufhausregale
und Schaufenster immer wieder diese Tatsache vor
Augen hält und sich dabei auch bewusst ist,
dass er statt toter Materie das volle Leben konsumieren
könnte (siehe zeit ist
geld), wird wahrscheinlich
entdecken, dass er/sie viel weniger Konsumgüter
benötigt als er/sie bisher gedacht hat.
(siehe: G.Anders, Die Antiquiertheit des Menschen,
München 1994)
sei
wer, dann brauchst du niemand zu werden
"Aus dir wird nie was". Wir alle
kennen wohl diesen Spruch aus unserer Schulzeit,
sei es, weil wir selbst von unseren Lehrer/inne/n
auf diese Weise gedemütigt wurden, sei es,
weil wir Zeug/inn/en einer derartigen Erniedrigung
wurden. Diese Prophezeiung ist sehr bedrohlich,
müssen wir angeblich doch alles mögliche
werden: Wir müssen erfolgreich werden, mit
allen Wassern gewaschen sein, wir müssen
uns eine Position erkämpfen, die uns Ansehen
und ein möglichst großes Einkommen
sichert. Wir müssen etwas darstellen. Und
wenn wir dann tatsächlich Erfolg haben, dann
müssen wir die ganze Zeit kämpfen, um
die erlangte Position zu verteidigen.
Dabei sind andere Dinge doch viel wichtiger, um
ein zufriedenes und erfülltes Leben zu führen.
Persönliche Eigenschaften wie Offenheit,
Gelassenheit, Liebenswürdigkeit, Hilfsbereitschaft,
Verlässlichkeit u.a. können wir nicht
kaufen oder durch Rücksichtslosigkeit erkämpfen.
Aber wir können an uns arbeiten und all das
entwickeln, was uns für andere Menschen zu
wertvollen Freund/inn/en, Partner/inn/en, Verwandten
etc. macht, die Wärme, Liebe, Verständnis
und Zuneigung geben können und daher auch
erhalten werden, ohne dass deswegen ein anderer
Mensch genau diese Eigenschaften nicht entwickeln
kann. Bei der Entwicklung der eigenen Persönlichkeit
herrscht keine Konkurrenz, jede/r hat die gleichen
Chancen, zumindest prinzipiell.
Wer es geschafft hat, um seiner selbst willen
respektiert, geschätzt, geliebt und geachtet
zu werden, der braucht mit Sicherheit sonst nichts
mehr werden im Leben, und wird sicher nie alleine
sein.
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